Der Affe in uns (S.14 ff.)

Ich verstehe ja Ihre Lust an der Provokation. Ob sie immer zielführend ist, steht auf einem anderen Blatt. Humanismus als Verzicht auf »imaginäre Götter oder Heilserzählungen«, okay. Aber was Sie als »kategorischen Imperativ des Humanismus« von Marx und Engels zitieren, »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist..…«, das könnte man in der Tendenz auch aus der Botschaft jenes Wanderpredigers Jesus von Nazareth herauslesen, die sich ja gerade an die Unterprivilegierten, an die »Mühseligen und Beladenen« wandte, auch wenn er diesen die Erlösung erst im Jenseits versprach. Das ist nicht so wahnsinnig neu und originell.

Ihre Hoffnung, dass Homo sapiens »sich zu einem »ungewöhnlich sanften, freundlichen und kreativen Tier entwickeln könnte««, ist natürlich ebenso naiv – den Homo sapiens gibt es nicht – wie Ihr verklärender Blick auf unsere nächsten Verwandten. Ihre Tiervergleiche bis hin zu den »Würmern« sind gut gemeint, aber ziemlich kurios und, sagen wir, strategisch nicht gerade klug. Damit schrecken Sie Menschen, die nicht unbedingt mit Würmern in einen Topf geworfen werden wollen, unnötigerweise ab. Ausflüge in die Natur empfehle ich Ihnen bei Ihren Überlegungen zur Ethik. Dort sind Sie mit Rückgriffen auf die Natur auffällig zurückhaltend, wohl unbewusst ahnend, dass Ihre Ethik mit der »Natur des Menschen« unsanft kollidieren könnte.

Auch über das »zufällige Produkt der biologischen Evolution« lässt sich streiten. Die Evolution nur mit dem Zufall zu erklären erscheint mir fragwürdig. Evolution beginnt schon beim Urknall. Entstehen Eigenschaften, Gesetze, Ordnungen bis hin zu Systemen aus einem »Potpourri von Zufällen«? Könnte es nicht sein, dass dies alles als »Möglichkeit««, als Potential schon in jenem Urplasma angelegt war? Bedeutet »Evolution« nicht »Entwicklung« dieses Potentials? Und ist aus der kosmologischen Entwicklung nicht auch eine klare Richtung vom scheinbar Einfachen zum Vielfachen, Komplexen herauszulesen? Urplasma > Galaxien > Elemente > Verbindungen > Leben > Biosphäre > Einzeller > Vielzeller > Bewusstsein > Noosphäre mit zunehmender Differenzierung und Komplexität…? Sicher war und ist Zufall immer mit im Spiel, durch zufällige neue Konstellationen oder Mutationen. Durch Zufall alleine entsteht jedoch kein solches Kunstwerk wie z.B. eine Orchidee. Das entsteht aus einer für uns unerklärlichen ästhetischen Lust der Natur oder des Universums, egal was oder wer auch immer »dahintersteckt«. Es macht keinen Sinn, aus Angst vor einer möglichen schöpferischen Kraft oder Macht, z.B. »Gott« genannt, den Zufall zum Herrscher des Universums zu küren.

Auch wenn das Ganze sich »nur« auf einem winzigen Planeten am Rande einer Galaxie abspielt – Quantität des Ereignisses ist nicht alles. Das Geschehen auf unserem Planeten erscheint mir wesentlich faszinierender als das, was sich in den dumpf eruptierenden Sternen und den Staubwolken der Galaxien abspielt.

Und dann der von Ihnen heftig bekämpfte »Materie-Geist-Dualismus«. Dass Geist und Bewusstsein nur auf der materiellen Grundlage des Gehirns funktionieren, und dass das Bewusstsein nicht »frei schwebt««, keine Frage. Geist und Materie als getrennt zu betrachten ist absurd. Aber dieses zusammenhängende Funktionieren besagt noch nicht, dass Geist gleich Materie ist. Ist Ihr Manifest »Materie«?

Wie wäre es, Materie und Geist als zwei Pole einer »Polarität««, nicht eines »Dualismus« zu betrachten? Materie, der Stoff, das Material – Geist, die formende, »organisierende««, nicht personalisierte(!) Kraft, bereits wirksam von Anfang an? Nicht nur in der Welt der Gedanken, gerade auch in der Welt der Ästhetik mit ihrer unerschöpflichen Kreativität – sollten wir da nicht dieser neugierigen, experimentierfreudigen Dimension Geist ein besonderes, nicht gesondertes Existenzrecht zugestehen? Polares contra monistisches Weltbildmit Ihren »Ismen««, »Prinzipien« und dem zugrunde liegenden monistischen Denkansatz werde ich mich noch öfters auseinander setzen müssen. Ich halte ihn für die philosophische Schwachstelle in Ihren Argumentationen.

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