Jugend zwischen Flucht, Protest und Anpassung
Rock und Onanie
Nicht immer gelingt
die fröhliche Anpassung. Die Zahl der Jugendlichen, die aus der bedrückenden
Wirklichkeit fliehen, nimmt zu. Sie flüchten aus einer gefühlsneutralen Umwelt
in die sanfte Droge Musik. Sie drängen sich in den Schallplattenläden und
beziehen aus ihren Kopfhörern psychedelische Trance.
Sie strömen in Rockkonzerte und in die
Discos, um sich aus der bewegungslosen Starre und dem lähmenden Reglement
des Alltags zu befreien. Rockmusik, zuckendes Licht und ein Hauch symbolischer
Sex, das macht die Disco zu einem magischen Tummelplatz. Trotz entfesselter
Musik, die Tänzer bleiben auf Distanz. Sie provozieren, ohne zu berühren.
Es ist hysterische Selbstdarstellung, ein narzisstisches Massenritual.
Die Rockmusik hat viel von ihrer ursprünglichen
aggressiven Vitalität verloren. Sie wurde müder und lascher, und mit ihr die
Jugend, die in die bequemere Konsum- und Drogenszene abwandert. Die „Rock-Revolution“
hat die Diskotheken und Partys nicht verlassen. Von ein paar aufmüpfigen „Rockern“
abgesehen, blieb sie auf harmlos illusionäre Ekstasen am Wochenende beschränkt.
Sie wurde wie so manche „Revolution“ vermarktet.
Den von der Rockszene irritierten
Erwachsenen bleibt ein Trost. Sie wissen, dass der jugendliche Überschuss bald
in einem harten Arbeitsalltag aufgebraucht sein wird. Die provozierenden
Rockrhythmen werden sachte dahinplätschernden Softklängen weichen, und alles
wird sich wie von selbst beruhigen.
Nicht minder problematisch als der motorisch
aggressive Frust ist der Druck, unter den die jugendliche Sexualität gerät.
In den Kindheitstagen, als der Geschlechtstrieb nur spielen wollte, konnte
man ihn relativ leicht verdrängen. Doch dann platzt die Pubertät mitten hinein
in die künstliche Scheinruhe.
Die um die Moral ihrer Kinder besorgten
Eltern halten weiterhin an der Aufschubtaktik fest. Liebe unter Jugendlichen
sollte sich im Bereich schwärmerischer Gefühle bewegen und nicht in körperliche
Regionen gelangen. Und wenn sie schon unbedingt schmusen wollen, dann bitte
harmlos. Hände weg von den Zentren der Lust!
Die „seelische Reife“ muss erst Einzug
halten und der Glaube an die unfehlbaren Dogmen über Sex und Liebe. Für den
„zu früh“ produzierten Samen des Jungen gibt es das natürliche Ventil der
nächtlichen Samenentleerung. Die Hoden platzen nicht, der Same wird nicht
schal, biologisch kein Problem.
Das Tabu drängt die jugendliche Sexualität
in den Untergrund. Das meiste spielt sich bekanntlich in der Einsamkeit und
an versteckten Orten ab. Wo sexuelle Empfindungen nicht erfolgreich verdrängt
oder abgetötet wurden und der Weg in frigide Lustlosigkeit vorgezeichnet ist,
holt sich der Jugendliche unter schlechtem Gewissen einsame Orgasmen. Die
Erwachsenen wissen das und dulden es, wenn nur Abstand gehalten wird zwischen
Mädchen und Jungen.
Enthaltsamkeit sei besser als Onanie,
Onanie besser als Petting und Petting sei besser als Geschlechtsverkehr –
so sieht die Stufenleiter der Moral aus. Sie führt von den luftig reinen Höhen
keuscher Unberührtheit hinunter in den Morast, in den unvermeidlichen Verlust
der Unschuld.
Die Onanie erweist sich als ein segensreiches,
vielleicht gottgewolltes Instrument. In der Jugend fleißig geübt, wird sie
später gar manche eheliche Treue retten und den ruhelosen Geschlechtstrieb
wenigstens zeitweise von seinen Jagdgelüsten erlösen.