Unternehmen Weltbild

 

 

Die Kontrahenten und viele Fragen

 

Eine Vorbemerkung sei erlaubt. Die Gedankengänge dieses Buchs sind ein relativ elitäres Unternehmen. Warum? Es geht um Weltbilder, um ein reflektiertes Weltbild, das immer wieder kritisch überprüft und anhand der eigenen Erfahrungen verifiziert wird. Zwei konträre Weltbilder stehen zur Disposition, das jenseitsbezogene transzendentale und das diesseitige säkulare. Einem vielfältigen Spektrum von Gläubigen auf Seiten der Religion steht eine ständig wachsende Zahl säkular orientierter Menschen gegenüber.

Die Anhänger beider Fraktionen - sowohl die Religiösen als auch die Nichtreligiösen - dürften in der Mehrzahl unreflektiert ihrem Glauben bzw. Nichtglauben huldigen. Ein Bewusstsein, permanent durch Reflexion und Selbstreflexion "upgegradet", dürfte nur einer Minderheit gegeben sein.

Ein solches Bewusstsein scheint eher ein zukunftsorientiertes Projekt der Evolution des Menschen auf dem Weg zum "Homo sapiens", dem "wissenden", "weisen" Menschen zu sein. Geduld ist also angesagt. Und es sollte nicht verwundern, wenn vorliegendes Projekt, der Vergleich der beiden Weltbilder, bei einem breiten Publikum auf Unverständnis oder Gleichgültigkeit stößt. Die meisten Zeitgenossen haben offensichtlich andere Probleme und man kann es ihnen nicht einmal verdenken.

Neben der kritischen, vergleichenden Analyse der Weltbilder muss auch die Frage erlaubt sein: Welche Rolle spielen dezidierte Weltbilder? Wurden und werden sie überhaupt geschichtswirksam? Hat z.B. das Christentum die Geschichte des "christlichen Abendlandes" tatsächlich geprägt? Und wie viel Gedankengut der Aufklärung bestimmt unsere "aufgeklärte" Moderne? Waren und sind womöglich ganz andere Kräfte am Werk? Sind die Weltbilder vielleicht nur die "Begleitmusik" zu jenem Spiel, das von den Eliten des Mythos und der Macht seit jeher gespielt wird?

Lassen wir die Beantwortung dieser Frage zunächst offen. Zwei konträre Weltbilder konkurrieren also um die Gunst der Gläubigen, das transzendentale und das säkulare. Ich werde versuchen, die Unterschiede und heimlichen Übereinstimmungen zwischen beiden Varianten aufzuzeigen. Es könnte ja sein, dass die beiden Gegenspieler hinsichtlich ihrer Funktion und ihrer Zukunftsperspektiven gar nicht so weit auseinander liegen.

Ob wir von Mythen, Religionen, Ideologien oder Narrativen sprechen - ich denke, wir können diese vermeintlichen oder tatsächlichen "anthropologischen Konstanten" unter dem schillernden Begriff "Utopie" subsumieren. Haben sie doch den gleichen Ursprung und die gleiche Funktion. Inhaltlich dürfte dies das verbindende Element der klassischen Utopien sein: Sie alle leiden unter der Vorstellung, dass diese Welt so nicht sein dürfte, dass eine "andere", "bessere", womöglich "höhere" Welt möglich sei.

Wie entstehen Utopien? Was macht ihre Attraktivität aus und warum müssen sie unweigerlich scheitern? Liegt ihnen ein gemeinsames fragwürdiges Denkmuster zugrunde? Und was haben die Utopien mit der Evolution des Universums vom Urknall bis zum Homo sapiens gemein? Sind sie womöglich ein Element der Evolution, Grenzüberschreitungen in zuvor als unmöglich scheinende neue Dimensionen?

Um dem utopischen Denken, seinem Charme und Scheitern auf den Grund zu kommen, widmen wir uns den drei klassischen Fragen, die sich Homo sapiens seit Beginn seines sich entwickelnden Bewusstseins stellt: "Was ist die Welt, was ist der Mensch? Was darf ich erwarten? Was soll ich tun?" Welterklärung, Zukunftsversprechen und Moral - das ist die heilige Dreifaltigkeit jeder Utopie.

Formuliert aus der Sicht des säkularen Weltbilds lauten diese Fragen nicht mehr transzendental eingefärbt: "Was ist der letzte Urgrund der Welt, was ist die Bestimmung des Menschen und welchen göttlichen Geboten muss er Folge leisten?", sondern etwas bescheidener: "Wie ist das Universum, die Natur, der Mensch beschaffen, konstruiert? Was können wir hier auf Erden in Zukunft erwarten und wie sieht, wenn wir auf das Konstrukt einer "Übernatur" verzichten, eine der Natur des Menschen angemessene Ethik aus?

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